Gott führte mein Leben durch Ereignisse und Umstände. Ich hatte keine Ahnung von dem Ende, zu dem er mich führte.
So beschrieb Schwester Petra Mönnigmann, geb. in Oelde / Westf., ihren Weg zur Ordensgründerin. Als Ordensfrau und Lehrerin der Ursulinen in Werl ging sie 1966 mit einer Freistellung für 3 Jahre nach Indien.
Während ihrer Missionsarbeit in Indien in wohlgeordneter Umgebung eines Caritas-Institutes lernte sie durch Zufall bitterste Not und Armut in den abgelegenen Orten kennen. Gleichzeitig erkannte sie, dass sich niemand für diese Ärmsten zuständig fühlte, was ihr Gewissen sehr beunruhigte. Sie war nach Indien gekommen, um den Armen zu helfen und begriff nun, dass sie hier bisher für den gehobenen Mittelstand gearbeitet hatte. Eine Idee reifte langsam in ihr, die Gründung einer religiösen Gemeinschaft für die Ärmsten, mit Schwestern die keine Almosen verteilen, sondern den Armen durch Beispiel und Anleitung helfen, dem Elend zu entkommen: Hilfe zur Selbsthilfe zu geben. Am 1.6. 1969 begann sie ihre Arbeit in Pattuvam mit 8 jungen Mädchen. Für diese neue Gemeinschaft musste sie sich von den Ursulinen trennen. Heute zählen zu den Dienerinnen der Armen rd. 650 Schwestern, die in 74 Stationen in ganz Indien ihre Hilfe geben.
Vom Vatikan sind die Dienerinnen der Armen inzwischen als „Orden päpstlichen Rechts“ anerkannt.
Pfingsten 1976 verunglückte Schwester Petra mit 4 Mitschwestern bei einem Verkehrsunfall in Indien tödlich. Eine Freundin von ihr, Schwester Willigard, gehörte seit 1975 dem Orden an und wurde als Nachfolgerin gewählt und leitete die Gemeinschaft als Generaloberin von 1976 bs 1989. Seit der Zeit liegt die Leitung bei den indischen Schwestern. Schwester Willigard hat maßgeblichen Anteil daran, dass die junge Gemeinschaft nach dem Tod von Schwester Petra bestehen, sich festigen und ausbreiten konnte.
Das „geistliche Testament“ der Schwester Petra
Dieser Text wurde nach ihrem Tod von ihr handschriftlich auf einem verstreuten Zettel gefunden – ohne Datum, Adresse, Unterschrift, in der dritten Person und in englischer Sprache geschrieben:
Bekenntnis aus verborgenen Tiefen, wertvoll für alle, die aus ihren vielen Schriften eine große Ausstrahlung von Optimismus und spritzigem Humor kennen gelernt haben.
Sie diente Gott ihr ganzes Leben lang und mit ihrer ganzen Kraft, in vollem Bewusstsein, dass sie nicht wirklich glaubte an ihn oder besser an das, was man von ihm lehrte, stets tätig, als ob sie glaubte, und in brennender Hoffnung, er möchte wirklich da und in ihrer Nähe sein.
Als sie jung war, versuchte sie ihn zu verstehen und zufrieden zustellen, und beides misslang ihr völlig. Er erschien ihr von Grund auf ungerecht: Er verlangte, „gut“ genannt zu werden und legte zugleich den Menschen grausame Schmerzen und Ängste auf; er gab Anordnungen und gestaltete die Menschen so, dass sie sündigen mussten; er gewährte keine Freiheit, keine Wahl und keine Möglichkeiten zu entkommen.
An ihn zu denken erfüllte sie oft mit Schrecken, bis sie es endlich lernte, sich dem Unbekannten und Unerkennbaren zu unterwerfen. Später nahm sie dann mit großer Verwunderung wahr, dass sie Gott liebte, und sie war nie im Stande zu verstehen, dass jemand Gott so sehr lieben und mit ihm so viel und so lebendig umgehen kann, ohne auch nur in irgendeinem Punkt über ihn Gewissheit zu haben. Sie glaubte, dass vielleicht ein Großteil dieser Liebe Sehnsucht sei. Sie konnte sich nie ganz von dem Verdacht befreien, Theater zu spielen, wenn sie betete oder über Gott sprach oder für ihn arbeitete.
Sie lernte es nie, die Schmerzen von Menschen und Tieren sehen, ohne selbst tiefes Leid zu empfingen, und sie liebte Jesus, wer immer er sein mochte, wegen seines Mitgefühls mit den Leidenden; sie war sehr erschüttert über die Grausamkeit seines Todes. Sie blieb in seiner Kirche und arbeitete in ihr, weil sie nicht wusste, wo sie anders hingehen sollte. Sie wusste, dass sie mit all ihrer Arbeit auch nicht eines der Leiden des Menschen entscheidend ändern konnte. Aber sie arbeitete so viel und so hart wie möglich, um an jedem Tag zumindest das zu erreichen, dass ein Mensch weniger leiden musste und darin erführ sie großes Glück.
Tief in ihrem Herzen wusste sie mit absoluter Gewissheit, dass der unbekannte und unerkennbare und geliebte Gott sie ständig führte, aber nie verschwand ihre tödliche Furcht vor den Dingen, die dieser Gott den Menschen antut; sie gestand nur die Möglichkeit zu, dass diese Grausamkeiten sich irgendwie doch mit seiner Liebe vertrugen, und sie sah mit ungeduldiger Erwartung dem Tag ihres Todes entgegen, wenn Gott sich selbst und seine Wege offenbart, und wenn alle Ungewissheit, alle Furcht und alles Leid vorüber sind.